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Sonntag, 29. Mai 2011

In Nepal

Wir wurden nicht nur aus dem Tibet hinab in ein neues Land geworfen sondern auch hinein in ein ganzes Universum von Sinneseindrücken. Das fing bereits auf chinesischer Seite an- plötzlich gab es Grün, Bäume, Blumen, blühende Rhododendren, den harzigen Duft von Tannenwald. In Nepal kam das wuslige Durcheinander hinzu, die farbigen Saris, das Gehupe, Menschen und Tiere überall, der Geruch von Curry und Fäulnis. Es war der sensorische Overkill. Im Tibet ist alles reduziert und wirft einem auf sich selbst zurück, hier war wieder Zerstreuung.
Wir fuhren weiter talabwärts, wunderten uns etwas, dass die teilgeteerte Holperstrecke einer der 'Highways' Nepals sein soll und versuchten, uns an das darwinistisch geprägte Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer zu gewöhnen. Kurz vor Kathmandu machten wir im hübschen Städtchen Bakthapur halt, was unsere bis dahin mässige Begeisterung für das neue Land steigern konnte. Bakthapur besitzt eine grosse, gut erhaltene und unverdorbene Altstadt, man fühlt sich in das alte Nepal der kleinen Königreiche versetzt. In Bakthapur trennten sich die Wege von uns und die von Mathias, wir sollten uns aber in den kommenden Wochen verschiedentlich nochmals treffen.

Es grünt

Nepal auf dem Lande

Bakthapur

Bakthapur

Hühnerandacht

Tempel in Bakthapur

Stupa in Boudha (nahe Kathmandu)

Kathmandu war dann der dreckige, lärmige Moloch, mit einem riesigen Touristenghetto, das alles bietet, damit man sich in der Fremde wie zu Hause fühlen kann. Wir waren empfänglich für das Angebot. Von Kathmandu aus fuhren wir 30km auf dem grässlich von Lastwagen und Bussen verstopften Prithvi- Highway, der Hauptverkehrsader Nepals. Dann zweigten wir auf den Tribhuvan- Highway ab. Dies war die erste Strassenverbindung zwischen dem Kathmandutal und dem Tiefland, in den 50er Jahren erst wurde sie erstellt und wird heute nur noch wenig benutzt. Im Tiefland, Terai genannt, besuchten wir den Chitwan- Nationalpark, absolvierten das ganze Program von Elefantenritt bis Jungle- Spaziergang und zogen dann weiter in Richtung Pokhara.

Auf dem Tribhuvan- Highway

Auf dem Tribhuvan- Highway, vor der Abfahrt ins Terai

Sonnenuntergang im Chitwan Nationalpark

Nashorn im Chitwan NP

Auf den Elefanten gekommen

Dahl Bat- das nepalesische Nationalgericht (de Luxe- Version)


Dank einem Generalstreik hatten wir die Strasse von Chitwan nach Pokhara für uns alleine und stellten fest, dass Velofahren in Nepal auch angenehm sein kann, wenn erst einmal der Verkehr weg ist. In Nepal wird zur Zeit oft gestreikt, nach zwei Jahren läuft die Frist ab, welche das Parlament hatte um eine neue Verfassung vorzulegen. Die Parlamentarier wurden davon anscheinend etwas überrascht, jedenfalls hätten sie gerne noch etwas mehr Zeit. Da nicht alle Verständnis dafür haben, führt das zu Protesten und Streiks.
Von Pokhara aus unternahmen wir nochmals eine Fahrt bis zum Rand des tibetischen Plateaus. Zwischen dem Dalaughiri und dem Annapurna hindurch kletterten wir via Jomoson bis zum Pilgerort Muktinath, aus tropischen Täler hinauf in aride Gebiete, wo auch wieder ein deutlicher tibetischer Einfluss spübar ist.

Wasserfall am Weg nach Jomoson

Tal kurz vor Jomoson

Der Nilgiri

Beim Aufstieg nach Muktinath

Beim Aufstieg nach Muktinath

Jharkot

Einige der 108 Wasserspeier im Tempel von Muktinath

Kagbeni, Blick in Richtung Upper Mustang

Bei Tukuche

Der Annapurna bei Totopani

Seit drei Tagen sind wir nun zurück in Kathmandu und das ist auch der Endpunkt der Reise, die Velos sind verpackt und reisen mit uns zusammen per Flugzeug zurück in die Schweiz. Neben Cafe Latte und Shopping schauten wir uns noch die Altstadt und Pashipatinath an. Letzteres ist eine der wichtigsten Pilger- und Verbrennungsstätten fuer Hindus.

In Kathmandu's Altstadt

In Pashupatinath

In Pashupatinath

Sadhu beim Mittagsschläfchen

Am Durbar Marg in Kathmandu





Samstag, 28. Mai 2011

Epilog zu China

Mehr als zwei Monate war ich in China unterwegs, länger als in jedem anderen Land während der Reise. Mit gemischten Gefühlen reiste ich ein, unsicher ob mir das Landes, die Leute, die Einschränkungen nicht überdrüssig würden. Mit gemischten Gefühlen bin ich auch ausgereist, aber mit anderen.
Es wurde mir weder langweilig noch zu eintönig. Das grosse Land ist zu abwechslungsreich und zu vielfältig dafür. Die Menschen ebenso, all die verschiedenen Ethnien, die traditionelle Landbevölkerung und die moderne Stadtbevölkerung, da ergeben sich immer wieder spannende Begegnungen. Zum Velofahren ist das Land wunderbar, mit einem grossen, meist ruhigen Strassennetz und schönen, abwechslungsreichen Landschaften.
Dazu kommt, dass China mitten in einer interessanten Phase ist, der 'grosse Sprung nach vorne' ist spürbar, es findet eine enorme Entwicklung statt. Überall werden Strassen, Bahnlinien, Wohnsiedlungen erstellt. Die Gunst der günstigen Arbeitskräfte wird dazu genutzt, eine moderne Infrastruktur zu schaffen, gleichzeitig kann so etwas vom Boom an die Randbezirke getragen werden. Doch vor allem die Städte modernisieren sich, die ländlichen Gebiete hingegen hinken ganz weit hinterher.
Fragen tauchen auf - wie das denn weitergehen wird, wenn die Arbeitskräfte nicht mehr so billig sind, wenn der Wechselkurs nicht mehr manipuliert wird, wenn die staatlich erzeugte Immobilienblase platzen sollte, wenn die Inflation noch mehr anziehen wird. Man sitzt in einem Hotel, das einem viel zu günstig scheint für den gebotenen Standard, Gäste hat es sowieso wenig, man versteht das Geschäftsmodell nicht und wundert sich wie es sich denn mit dem Gechäftsmodell China verhält.
China versucht sicherlich, mit allen Mitteln das gebotene Zeitfenster zu Nutzen, eine Grossmacht zu werden. Die dabei eingesetzten Mittel sind sicher nicht immer schön- wie das bei den wenigsten Nationen auf dem Weg zur Grossmacht der Fall war. Unterdrückung und Zensur gehören dazu, wer eine abweichende Meinung äussert, wird wegen Steuerhinterziehung oder ähnlichem mundtot gemacht. Falls er Glück hat und und wie Ai Weiwei einigermassen bekannt ist. Chinas absolutistisches Einparteiensystem lässt soviele Menschen hinrichten wie kein anderer Staat, gegen Minderheiten wird brutal vorgegangen, nervös wird jedes kleine Anzeichen von Separatismus niedergeschlagen.
Zu den Mittel im wirtschaftlichen Bereich gehört eine agressive Sicherung von Rohstoffen. In allen Nachbarländern versucht sich China Zugang zu natürlichen Resourcen zu verschaffen, in Laos und Nepal beispielsweise wird fleissig in Wasserkraftprojekte investiert. Im eigenen Land sieht man die Verheerungen des Kohle- Abbaus. Beliebt ist im wirtschaftlichen Bereich der Ideenenklau, man kann sich in China ein Spiel daraus machen, herauszufinden, welche westliche Firma das Vorbild für ein Logo, ein Design, ein Produkt geliefert hat. Der professionelle Ideenklau geschieht dann als Joint Venture oder mittels Cyberspionage. Interessant finde ich, wie enthusiastisch und gleichzeitig ehrfürchtig die Industrienationen China umgarrnen und wie leicht sie unsere westlichen Spielregeln und Werte dabei vergessen. Aber diese Möglichkeiten, dieser Markt, diese Renditen sind einfach zu verlockend.
Unterhaltsam war zu sehen, wie anders die Wertvorstellungen in China teilweise sind. Jahrhunderte des Konfuzianismus haben die Überzeugung geprägt, dass das Individuum zuallererst Staatsbüger ist, unter Mao wurde den Chinesen dann noch klar gemacht, dass die Partei (also der Staat) unfehlbar ist. Besonders bewusst wurde uns das immer, wenn wir zu erklären versuchten, was bei uns Demokratie bedeutet: dass der Staat beispielsweise in der Schweiz wegen einer neuen Schnellstrasse nicht so einfach ein Dorf flachwalzen kann, dass da der Bürger Einspruch erheben darf. Die Chinesen fanden das immer eine ganz schlechte Idee.
Es wird jedentalls spannend sein, zu sehen wie sich das Land weiterentwickelt und wie die westliche Welt damit umgeht. Irgendwann wird es schwierig werden, alleine mit Billigproduktion und Imitation die Wachstumsraten zu halten. Ob sich eine fortdauernde Unterdrückung der Meinungsfreiheit und der Zwang zur Uniformität mit grossen Innovationen vereinbahren lässt, wird sich zeigen müssen. Ein Junger Chinese, den wir getroffen hatte, erzählte uns, wie schwierig es für ihn sei, eine auch nur wenig von der Masse abweichende Weltanschaung zu leben.
Doch gerade auch weil China so vielfältig, widersprüchlich und herausfordernd ist, gerade weil man sich immer wieder daran reibt, ist das Land so spannend zum bereisen. Ganz abgesehen von den kulinarischen Annehmlichkeiten.

Mittwoch, 25. Mai 2011

Bis zur Grenze

Wir bedauerten nicht, Shigatse bald wieder zu verlassen um wieder durch die weiten, erdfarbenen Hügellandschaften und immensen Flusstäler zu rollen, unter tiefblauem Himmel und ziehenden Wolken, durch Schneestüme und gegen den unerbittlichen Wind immer weiter westwärts. Manchmal schlugen wir abends das Zelt auf, dann wieder übernachteten wir in einfachen Gästehausern. Nach dem Städtchen Lhatse folgten wir einem langen Flusstal bis hinauf zum Gyatso La, dem höchsten Pass der Reise. In der Nacht zuvor hatte es geschneit und die Landschaft war in eine schwarz- weisse Abstraktion verwandelt worden.

Vor Lhatse

Passang, Tashi und Mathias beim Begleitfahrzeug

Zwischen Shigatse und Lhatse

Begegnung unterwegs

In einem Guesthouse

Schneesturm im Anzug

Es ist mal wieder frisch

Irgendwo zwischen Shigatse und Lhatse

Aufstieg zum Gyatso La

Yaks im Schnee

Landschaft in Schwarz- Weiss

Auf dem Gyatso La

Am folgenden Tag verliessen wir im Tal von Tingri den Friendship- Highway und bogen auf eine Schotterstrasse ein, die zum knapp 100 km entfernten Everest Base Camp (EBC) führt. Das liess mich erahnen, wie viel strapaziöser die Fahrt von Lhasa nach Nepal früher gewesen sein muss, als es kaum geteerte Abschnitte gab (der Friendship Highway ist erst seit wenigen Jahren durchgehend asphaltiert). Über den Pang La gelangten wir in ein grossartiges, weites Flusstal und am zweiten Tag tauchten die ersten vergletscherten Gipfel in der Ferne auf. Doch der Everest zeigte sich bis kurz vor Rongbuk nicht, aber dann stand er da vor uns, mächtig am Ende des Tals. Wir verbrachten zwei Tage im Touristen- Base Camp, eine Ansammlung von Zelt- Guesthouses, in denen man übernachten kann. Das Base Camp für die Bergsteiger liegt ein wenig oberhalb, bis dort und leider nicht näher darf man als Normaltouri an den Everest heran.

Im Aufstieg zum Pang La

Nach dem Pang La

Unterwegs in Richtung EBC

Kinder am Wegrand

Yaks am Wegrand

Finde das Velo am Wegrand

Schneeberge am Wegrand

Endlich - der Everest am Wegrand (mit Yaks und Kloster)

Und jetzt der Everest ganz alleine

Und mit uns drei

Und mit dem Velo obendrauf

Nachdem wir den Everest bei Sonnenaufgang, Sonnenuntergang und in der Mittagssonne angeschaut hatten, zogen wir wieder Talwärts. Während unser Begleitfahrzeug auf der selben Route wie beim Hinweg zurück zur Hauptstrasse fuhr, nahmen wir mit dem Velo die nicht Kleinbus- taugliche Abkürzung nach Tingri. Schneller war die nicht, aber schöner- wenn man denn die landschaftlichen Superlativen in Tibet überhaupt vergleichen kann. Am Abend waren wir in Rachu bei der Familie von Passang, unserem Guide, zu Gast. Seine Eltern, Brüder, Tanten, Onkel, Nichten, Schwägerinnen etc nahmen uns mit grösster und selbstverständlicher Gastfreundschaft auf. Wieder einmal sassen wir in einem dieser tibetischen Wohn/ Koch/ Ess/ Schlafräume mit einem rauchenden Ofen in der Mitte und wurden umsorgt.

Unterwegs nach Old Tingri

Unterwegs nach Old Tingri

Noch immer unterwegs....

Und noch immer....

Endlich, kurz vor Old Tingri

In der guten Stube von Passangs Familie

Priscilla und Passangs Mutter

Passangs Vater

Schoene Aussicht beim Aufstehen in Rachu

Mit leichter Wehmut brach ich am nächsten Morgen auf, ein letzter Blick über die Ebene von Tingri mit dem Mt. Everest, dem Cho Oyu und weiteren Himalaya- Gipfeln am Horizont. Es war der Beginn des langsamen Abschieds von Tibet. Nur noch zwei Pässe trennten uns von der langen Abfahrt hinunter nach Nepal. Nach einer weiteren kühlen Nacht im Zelt, neben einer Burgruine, belagert von Kindern, machten wir uns an diese letzten beiden Aufstiege und banden unterwegs unsere Khata (ein weisser Schal, der Besuchern in Tibet um den Hals gelegt wird) zu den Gebetsfahnen, als Zeichen der Dankbarkeit für die sichere Reise. Dann freuten wir uns auf die längste Abfahrt der Welt, von 5050m auf 500m hinunter. Es ging bergab, doch den Berg hinauf fegte ein solch starker Wind, dass wir manchmal nur mit äusserster Anstrengung mehr als 10 km/h hinkriegten. Die Freude hielt sich in Grenzen.
Doch irgendwann standen wir dann trotzdem an der Grenze, für einen langen Abschied von Passang und Tashi, mit denen wir fast drei Wochen unterwegs gewesen waren, blieb kaum Zeit, so rasch waren wir aus China raus und drin in Nepal.

Beim Letzten Aufstieg

Abschied

Der Blick Richtung Nepal

Auf dem letzten Pass

Beginn der Abfahrt

Weiter unten im Tal

Schon bald in Nepal